Unternehmenskultur ist immer Beziehungskultur.

Was Unternehmenskultur ist, ob und wie diese gestaltbar ist – darüber bestehen vielerlei Auffassungen. Niemand würde jedoch abstreiten, dass kulturelle Einflüsse eine soziale Organisation prägen. Denn Organisationen sind lebendige Systeme, bestehend aus Menschen, ihren Erwartungen und ihren Handlungen – und insbesondere bestehend aus dem, was zwischen diesen Menschen geschieht. Wie gehen wir miteinander um? Wie arbeiten wir zusammen? Welche Menschenbilder werden sichtbar (parallel zum oftmals vorformulierten Leitbild)? Und wie lassen sich Veränderungen gelingend angehen? Diese Fragen gewinnen zunehmend an Bedeutung – gerade auch im Gesundheitswesen, einer Branche, die vor gewaltigen Herausforderungen steht.

Je mehr wir uns vernetzen, desto mehr brauchen wir das Verbindende.

Betrachten wir ein Krankenhaus, scheint vordergründig die äußere Struktur zu dominieren: klar voneinander abgegrenzte Fach- und Zuständigkeitsbereiche, Hierarchieebenen und Positionsbezeichnungen. Menschen führen ihre Rollen mit höchstem Anspruch aus. Doch: „Die tradierten Strukturen, Abläufe und vor allem Denkweisen in klassisch organisierten Krankenhäusern werden den Herausforderungen der Zukunft schon heute nicht mehr gerecht“ (Werner, 2019).

Immer wieder sollten wir uns vor Augen halten, dass neben der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, auf die zumeist das medizinische und betriebswirtschaftliche Augenmerk gelenkt wird, die Kommunikations- bzw. Sozialqualität die bedeutendste Qualitätsdimension im Krankenhaus darstellt. Dies gilt hinsichtlich der Bereitschaft der Patient:innen, eine Klinik weiterzuempfehlen (von Eiff, 2007). Sozialqualität – diese ist zwar weniger messbar, dafür jedoch täglich spürbar, für Mitarbeitende wie Patient:innen. Ein kollegiales und wohlwollendes Miteinander ist keinesfalls etwas, das als Selbstverständlichkeit angenommen werden kann – insbesondere bei der enormen Vielfalt an Menschen, die in einer Gesundheits- und Expertenorganisation arbeiten. Die Beschäftigung mit sozialen Dynamiken ist schon lange kein „nice to have“ mehr.

Ein „Für so etwas haben wir keine Zeit“ können wir uns in veränderten Lebens- und Arbeitswelten nicht mehr leisten. Die Qualität unserer Interaktionen und sozialen Beziehungen ist ein Aspekt, den wir als ergebnis- und zukunftsrelevant anerkennen müssen.

Blicken wir also nicht auf, sondern hinter das Organigramm.

„In jeder Organisation gibt es ein unsichtbares Nervengeflecht von Beziehungen und Einflüssen. Manche ahnen nichts von dieser unterhalb des Radar liegenden Welt, während andere sie voll auf ihrem Bildschirm haben.“ (Goleman, 2000)

Verborgen hinter den Linien des Organigramms finden sich das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach positiven Beziehungen und einem entwicklungsförderlichen Umfeld. Ob formell oder informell: Es bilden sich Kommunikations- und Energienetzwerke, welche der Motor für gelingende Zusammenarbeit, Weiterentwicklung und gemeinsames Lernen sind. Hier zeigt sich die wahre Kraft der Organisation.

Kommunikation ist weit mehr als die Verwaltung und Weitergabe von Informationen. Sie kann ohne Berücksichtigung des Beziehungsaspektes nicht gelingen – im Gegenteil: genau hier liegt ihr größtes Potenzial.

Die Schlagworte der Zukunft heißen Vertrauenskultur, Beziehungsintelligenz, Kooperation in Netzwerken, Kreativität und Innovationsfreude (Pircher-Friedrich, 2019). Gehen wir mit einem Menschen wirklich in Beziehung, ist die ausgefüllte Rolle, der hierarchische Status, die berufsgruppenbezogene Grenze zweitrangig. So stellte sich eine Teilnehmerin des Corporate Culture Camp mit den Worten vor: „Ich bin Kollegin.“

Welche Wege können wir in traditionellen Unternehmen wie Krankenhäusern gehen, um das „Wir“ in den Mittelpunkt zu stellen, abteilungs- und hierarchisch dominiertes Konkurrenzdenken zu überwinden und schrittweise neue Formen der Zusammenarbeit und des Lernens zu finden? 

Beziehungen zu gestalten heißt, einander eine Stimme zu geben. Hierbei essentiell: In der Gemeinschaft miteinander zu sprechen setzt voraus, einander zuzuhören.

Organisationen, die neue Wege der Zusammenarbeit beschreiten wollen, müssen sich zunächst fragen, wie es wirklich um das Zuhören bestellt ist.

Wem hören wir zu und wem eher nicht? Hören wir nur zu, um unsere (bereits bestehende) Antwort zu formen, Ansicht zu bestätigen oder zu verteidigen? Was machen wir mit dem Gehörten? Darüber hinaus wird deutlich, dass es neue Strukturen braucht: Wann ist überhaupt Zeit für Austausch? Wo – in welchen Räumen – kann wirklicher Dialog stattfinden? Wo liegt eigentlich die Zuständigkeit dafür, unternehmensweiten Dialog und damit organisationales Lernen zu initiieren?

Wir alle wissen: Wertschätzende und respektvolle Kommunikation trägt dazu bei, eine nachhaltige positive Beziehung zwischen Mitarbeitenden zu schaffen. Wie genau sich „Wertschätzung“ und „Respekt“ im Klinikalltag zeigen, kann für jedoch jede und jeden etwas anderes bedeuten. Dies lässt sich nicht auf der Ebene unserer organisationalen Rollen, sondern nur auf der individuell-menschlichen Ebene besprechen.

„Interne Kommunikation wird zur moderierten Gemeinschaftsaufgabe.“ (Bauer, 2021)

Wir brauchen neue Möglichkeiten, aufrichtig aufeinander zuzugehen und auf Augenhöhe in Kontakt zu kommen. Nur so können verbindende Werte am Arbeitsplatz erkundet und gelebt sowie einander stärkendes Verhalten gezeigt werden. Mit dem Potenzial, Arbeitsbeziehungen zu schaffen, die wir (ganz im Sinne des New Work-Gedankens) wirklich, wirklich wollen.

Weitere Thesen:


Literatur:
Bauer, B. (2021). Microsoft Barcamp Hearts & Minds.
Goleman, D. (2000). EQ2: Der Erfolgsquotient. dtv.

Pircher-Friedrich, A. M. (2019). Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg: Anleitung zur werte- und wertorientierten Führung. ESV.
Von Eiff, W. (2007). Hospital Branding: Von der Markenkultur zum Magnet-Krankenhaus. In W. von Eiff & K. Stachel (Hrsg.), Unternehmenskultur im Krankenhaus (S. 44-64). Verlag Bertelsmann Stiftung.
Werner, J. A. (2019). Vorwort. In T. Heiß, M. Camphausen & J. A. Werner (Hrsg.), Generation Hashtag: Managementwechsel im Gesundheitswesen (S. 4-7). MWV.