Beziehungsqualität bestimmt Ergebnisqualität.

Im Gesundheitswesen ist die Qualität der Ergebnisse von entscheidender Bedeutung. Die erzielten Ergebnisse bestimmen nicht nur über das Wohlergehen der uns anvertrauten Patient:innen, sondern auch darüber, ob die behandelnden Personen ihre Tätigkeit als sinnhaft erleben. Die Rolle des Qualitätsmanagements, stetig steigende Anforderungen an Prozess- und Ergebnisdokumentation sowie kontinuierliches Benchmarking spiegeln den hohen Anspruch in der Gesundheitsversorgung wider.

Wann immer Menschen sich gemeinsam einer Aufgabe widmen, ob im OP, auf der Station oder im Büro, treten sie miteinander in Beziehung.

In Organisationen werden Beziehungen instrumentalisiert und funktionalisiert. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel – denn sie dienen dazu, Aufgaben erfüllen und Leistung erbringen zu können (Neuberger, 1993).

„Das Krankenhaus zählt zu den komplexesten Organisationen, die moderne Gesellschaften hervorgebracht haben“ (Lobnig & Grossmann, 2013)

So komplex Gesundheitsorganisationen sind, so komplex sind die Beziehungen ihrer Mitglieder, insbesondere aufgrund der Vielzahl an Berufsgruppen, Abteilungen und Hierarchieebenen. Diese sind miteinander verbunden (und gleichzeitig voneinander abgegrenzt) durch klar definierte Zuständigkeiten – oder vereinfacht ausgedrückt: Einflussreviere. Moesta und Schneider (2020) sprechen von „Silos mit funktionaler Abschottung, Informationsfilterung, Koordinations- und Steuerungsproblemen an den Schnittstellen“. Es wird deutlich: Beziehungen im Krankenhaus sind eine Klasse für sich.

Nur durch gelingende, patient:innenorientierte Zusammenarbeit können herausragende Ergebnisse entstehen. Menschen, die miteinander arbeiten, teilen Erfahrungen und Erfolge. Für viele sind soziale Verbindungen am Arbeitsplatz zentraler Bestandteil des Arbeitslebens. Die Zufriedenheitsspanne reicht vom motivatorischen Faktor vor Arbeitsbeginn bis hin zum Anstreben eines schnellstmöglichen Arbeitsplatzwechsels.

„Und diese Beziehung zu pflegen und zu haben, das ist ganz wichtig auf der Station, weil dann geht man mit einer ganz anderen Haltung an die Arbeit ran.“
(Befragter im Rahmen der Masterthesis „Relationale Energie im Krankenhaus“)

Zentraler Bestandteil der Theorie U von Otto Scharmer ist die Überzeugung, dass die Qualität der Ergebnisse von der Qualität der Beziehungen der Akteure abhängt – und die Qualität der Beziehungen sich ableitet von der Qualität der Aufmerksamkeit.

„Worauf du deine Aufmerksamkeit auch legst: Es ist der Ort, an den die Energie des Systems hinfließt – deine eigene Energie eingeschlossen.“ (Scharmer, 2019)

Ebenso wenig, wie ein Landwirt eine Pflanze zum schnellen Wachstum antreiben könne, können in einer Organisation gute Ergebnisse durch Verordnung erzwungen werden. Vielmehr gehe es laut Scharmer darum, die kollektive Aufmerksamkeit auf die Verbesserung der sozialen Bodenqualität, also die Qualität der Beziehungen zwischen Einzelpersonen und Teams, zu richten.

Aufmerksamkeit ist ohne Frage eine begrenzte Ressource im Klinikalltag. Häufig verwenden wir sie darauf, die uns zugeteilte Rolle bestmöglich auszuführen und die Patient:innenversorgung sicherzustellen. Doch Kliniken haben nicht nur die fachliche Aufgabe zu bearbeiten – ebenso wichtig ist es, die Organisation, ihre Strukturen und Mitarbeiterpersönlichkeiten weiterzuentwickeln (Lobnig und Grossmann, 2013).

Aus Patient:innensicht lässt sich Gesundheitsversorgung als lebensrettende bzw. -verbessernde Energieversorgung betrachten. Doch die produktive Energie, zur Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe dringend benötigen, rauben wir uns nicht selten selbst: durch ineffektive Prozesse und anstrengende Beziehungen. Hinzu kommt die nicht von der Hand zu weisende interne Konkurrenz um finanzielle Ausstattung, Personal und Betten – und auch in nicht patientennahen Bereichen um Wissen, Titel und Entscheidungsbefugnisse.

Gerade aus Qualitätssicht brauchen wir einen neuen Blick auf die Dinge, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken – insbesondere die Beziehungen, die unser tägliches Arbeitsumfeld entscheidend prägen.

Weitere Thesen:


Literatur:
Lobnig, H., & Grossmann, R. (2013). Organisationsentwicklung im Krankenhaus. MWV.
Moesta, K. T., & Schneider, J. (2020). Pandemie als Katalysator: Organisationsumbau in Corona-Zeiten. Klinik Management aktuell 25(9), 42-44.
Neuberger, O. (1993). Beziehungen zwischen Kolleg(inn)en. In: A. E. Auhagen & M. von Salisch (Hrsg.), Zwischenmenschliche Beziehungen (S. 257-278). Hogrefe.
Scharmer, C. O. (2019). Essentials der Theorie U: Grundprinzipien und Anwendungen. Carl-Auer.